Über den Nörgelbuff

Eine Reise in's 12. Jahrhundert - und zurück...

Wieso eigentlich “NÖRGELBUFF”? 

Der Name geht zurück auf den ehemaligen Geschäftsführer und Kabarettist Rolf Linnemann, der zu Berliner Zeiten „Buff-Gedichte“ verfasste.

Der „Buff“ ist demnach eine Art Kobold; und da Linnemann der Meinung war, dass die Göttinger Studenten zu viel nörgelten entstand der „Nörgelbuff“.

Groner Straße 23

1180 bis 1240
Entstehung des frühen Nikolaiviertels um die Nikolaikirche herum mit Bohlenständerbebauung. Erweiterung der Stadtmauer bis zur Turmstrasse. Festlegung des Verlaufs der Groner Strasse. Im Gegensatz zu den anderen Hauptstrassen der Göttinger Altstadt verläuft die Groner Strasse schnurgerade und ist viel breiter, allerdings mit Engpässen zum Groner Tor und zur Langen Geismarstr. hin, dieser Sachverhalt ist bis jetzt nicht eindeutig erklärt.

Ende 14. Jh.
Erste Fachwerkbebauung an der Stelle der heutigen Groner Straße 23, Errichtung des Gewölbekellers – die heutigen Theken- und Veranstaltungsräume. Zugang von der Rückseite, durch die Nische, in der lange Zeit der Zigarettenautomat stand. Die Parzelle des Hauses reicht bis zum Nikolaikirchhof, sie hat in der damaligen durchlaufenden Nummerierung die Nummer 198.

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1400 bis 1580
Im Haus leben in dieser Zeit zuerst Armbrustmacher, später Schlachter, wahrscheinlich dient ihnen der Keller als Werkstatt und/oder Lagerraum. Im Göttinger Häuserbuch sind die Namen Zegebogen, Hildebrandt, Holthusen, Schaper und Hogemann als Eigentümer verzeichnet. Hogemann war über mehrere Jahre auch als Ratsherr tätig.

Ende 15. Jh.
Abriss des Hauses und Bau des jetzigen Hauses Groner Str. 23, dessen Grundfläche etwas größer ist als der alte Keller. Der Keller bleibt erhalten.

Um 1710
Renovierung des Hauses und Behebung der durch den 30jährigen Krieg entstandenen Schäden. Der König von Hannover hatte diese Renovierungsarbeiten steuerlich begünstigt. Wahrscheinlich erfolgt in dieser Zeit auch der Rückbau der im Mittelalter üblichen Überhänge der oberen Geschosse über die Untergeschosse. Diese Massnahme hat ihre Ursache vermutlich im Brandschutz – die Abstände der oberen Geschosse der benachbarten Häuser sollten verringert werden, um das Überspringen von Funken zu verhindern.

1764/65
Das Haus erhält die durchlaufende Nummer 701 von damals ca. 1000 Häusern in Göttingen. Restaurierungsarbeiten am Nachbarhaus (ehem. “Rosendrogerie”, Groner Str. 24) im Sommer 2008 haben ergeben, dass es eine Verbindung der Kellergewölbe gegeben hat. Ebenso gehörten anscheinend beide Häuser dem Ratsherren Engelhard.

1826
Erwähnung der Gaststätte “Zum Weißen Ross” in der heutigen Groner Straße 23 im ersten Göttinger Adressbuch, betrieben durch den Gastwirt Engelhard – Urgroßvater von Herbert Engelhardt, der den Keller in seiner jetzigen Form ausbaute.

1885 bis 1939
Die Familie Engelhardt besitzt Ländereien und Viehzucht in Weende. In Verbindung damit werden in Haus und Hinterhaus in der Groner Straße die unterschiedlichsten Geschäfte betrieben: u.a. eine Milchsterilisieranstalt, eine Eishandlung, ein “Luxusfuhrwesen” (wahrscheinlich Göttingens erstes “Taxi”-Unternehmen) und eine Gaststätte. Ab 1939 Vermietung der Wohnungen im Obergeschoss. Das Grundstück Groner Str. 23 reicht immer noch bis zur Nikolaikirche (heute Wohnbebauung vom Nikolaikirchhof).

Ende 40er Jahre
Das Ehepaar Hildegard und Herbert Engelhardt restauriert die mittelalterlichen Gewölbe in der der Groner Straße. Steine werden erneuert und der Boden ausgeschachtet, da die Deckenhöhe zu niedrig ist. Der Keller wird erweitert (heute Kühlkeller und Zuschauerraum hinten links).

Der Nörgelbuff

1951
Die Engelhardts eröffnen die „Plaudertasche“. Rustikale Möbel, landwirtschaftliche Geräte und Bilder nach Originalen alter Meister prägen das urtümliche Ambiente. Verbindungsstudenten, Intellektuelle und Schauspieler – Göttingen war noch Filmstadt – zählen zum Publikum. Zu den Stammgästen gehören Heinz Erhardt, Curt Jürgens und Hilde Krahl. Es gibt noch keine Bühne und keine Live-Musik, aber es wird getanzt. Und: wer durch den „Verlobungsbogen“ tanzt, muss sich noch am gleichen Abend verloben!
Es ist anzunehmen, dass durch die damaligen Moralvorstellungen kombiniert mit der Wohnsituation von Studentinnen und Studenten einer schummerigen Kellerkneipe eine besondere Bedeutung zukam. Aus den Bauplänen dieser Zeit geht hervor, dass sich im linken hinteren Bereich vier separéeartige
Zweiertische befanden, dieser Bereich war durch eine Mauer abgetrennt.

1956
Aufgabe der Plaudertasche. Die Engelhardts widmen sich Pferdezucht und Pferderennen.

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1960-1970
Betrieb als Weinkeller “Künstlerkeller Intermezzo”. 1963 wird ein neuer Heizkessel installiert, ebenso später eine Be- und Entlüftung. Es
wird das Kasseler Herkules-Bier ausgeschänkt, die Brauerei wird später von Binding übernommen, die wiederum später auch die
Radeberger Brauerei übernahmen und im Firmennamen nach vorne stellten. Der Künstlerkeller ist ein Tanzlokal mit täglicher Live-Musik
von professionellen Tanzbands – Diskotheken gab es noch nicht.

1970
Eröffnung des NÖRGELBUFF

Eine Gruppe von Berliner Studenten pachtet den Keller und der Berliner Kabarettist Rolf Linnemann, – vormals Leiter des Göttinger Jugendzentrums in der Godehardstraße -, wird Geschäftsführer der Nörgelbuff GmbH. Linnemann hatte zuvor in Berlin „Buff-Gedichte“ geschrieben – ein Buff ist eine Art kreativ-bösartiger Kobold. Er war der Meinung, dass die Göttinger Studenten zuviel nörgelten, so
entstand der Name. Das ist zumindest seine rückblickende Erklärung aus dem Jahr 2003. In den prä-feministischen 70ern wurde von
ihm noch im Göttinger Tageblatt verbreitet, dass ein Nörgelbuff „ein Kobold sei, der Frauen gerne in den A… kneift“.

Es wird an der Stelle der heutigen Bühne eine winzige Plattform installiert, auf der gerade zwei bis drei Stühle Platz haben, eventuell
existiert sie noch heute als Teil der jetzigen Bühne. Die Wand links im Veranstaltungsraum wird komplett abgerissen. Anfang Mai veranstaltet die Nörgelbuff GmbH in einem Festzelt in Bovenden die “Woche der Nörgelbuffe”, u.A mit Glen Wallbaum, Schobert & Black, Hannes Wader, Reinhard Mey und Insterburg & Co. Das Veranstaltungsplakat trägt die Signatur Steidl und v. Buttlar.

Am 28. Mai 1970 wird der Nörgelbuff eröffnet. Das Live-Programm besteht in erster Linie aus Folkmusik und Kabarett. Die Besitzer in
Berlin hatten gute Kontakte zur damaligen Szene, so dass viele außergewöhnliche Künstler in den Nörgelbuff kamen.
Programmhighlights dieser Zeit: Otto Walkes, Hannes Wader, Insterburg & Co., Werner Lämmerhirt, Gottfried Böttger, Ulrich Roski usw.

Die Anfänge

Anfang und Mitte der 70er Jahre bot sich folgendes Bild:
Es wurde auf ungemütlichen Hockern gesessen, als Verstärkeranlage diente eine etwas größere Wohnzimmer-Hifi-Anlage und es gab Schmalzbrote (hier nicht im Bild). 

1973
Rolf Linnemann geht nach Tübingen. Klaus Richter (verstorben im Februar 2011) übernimmt die Theken- und Programmorganisation.

1975
FIN ist zunächst solo bei jeder Spielstunde aufgetreten und kurze Zeit später folgte der erste Auftritt der Fin-Band (etwa 1978).

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1979 oder früher
Der Verein Kleinkunstbühne e.V. wird gegründet und übernimmt den Nörgelbuff. Vorstand: Uli Herzog (damals bei der Band “Die Panzerknacker”), Gunter Hartung und Klaus Richter. Das Programm besteht aus einigen internationalen Folk- und Blueshighlights und teils monatlich oder wöchentlich auftretenden Göttinger Künstlern, darunter Engelbert, FIN & Band, Bernd & Bernie und Lilienthal. Es gibt täglich Live-Musik. Jeden Montag ist Spielstunde.

Rechts neben dem Nörgelbuff befand sich damals die Szene-Kneipe “Becherweyde”.

1981
Trennung von Programmgestaltung und Gastronomie. Die Gastronomie wird jetzt von der Nörgelbuff GmbH betrieben, das Programm weiterhin vom Kleinkunstbühne e.V. gestaltet. Nach Kritik am täglichen Live-Programm soll jetzt mehr auf Qualität als auf Quantität gesetzt werden.
Es wird ein neues Logo eingeführt: dazu gehören der „Wurst-Schriftzug“, der Cartoon vom alten und jungen Nörgelbuff vom Zeichner Kurt Halbritter und das Comic-Männchen mit der singenden Säge.
An den Programm-Highlights ändert sich nichts. Es wird das 11jährige Bestehen gefeiert, mit dabei Rolf Linnemann und Werner Lämmerhirt. Der Talentwettbewerb wird eingeführt: Preisgeld 200,- DM für die beste Band und 100,- DM für den besten Solisten.

1983
Der Kleinkunstbühne e.V. gestaltet das Altstadtfestprogramm auf dem Wochenmarkt und holt mit Achim Reichel erstmalig einen überregional bekannten Musiker zum Göttinger Altstadtfest.
Winni Buchmann (gest. 2004) übernimmt den Vorsitz des Vereins und die Geschäftsführung der GmbH. Der Verein wird finanziell vom Kulturamt der Stadt Göttingen unterstützt. Es tauchen immer mehr Rockbands im Programm auf, darunter die Midnight Ramblers, die Short Biscuits und die Männerwirtschaft. Es werden mehrere Folk-Sampler-LPs live von Günther Pauler im Nörgelbuff aufgenommen.

1988
Winni Buchmann verkauft die Nörgelbuff GmbH an den bisherigen Déjà Vu- und Nörgelbuff-Zapfer Nicolai Venus, der auch den Vorsitz des Kleinkunstbühne e.V. übernimmt.
Nico Venus schafft das Nörgelbuffmännchen ab und öffnet das Programm mehr in Richtung Rock, Independent und Punk. Der Talentwettbewerb findet halbjährlich statt und die erste Siegerband, die nicht aus dem Bereich Rock, Folk oder Blues kommt, heißt „Max Mini & the Invaders from Space“ mit Uli Briese am Bass, aus denen später „Nancy And I“ hervorgehen sollten.

Die 90er Jahre

1990
Die Brüder Agi und Taki Koukiotis übernehmen die Nörgelbuff GmbH. Der Verein Kleinkunstbühne stellt seine Tätigkeit ein. Die neuen Betreiber und die Binding-Brauerei renovieren den Nörgelbuff aufwändig: die Nikotinpatina wird von den Decken und Wänden entfernt, die Feldsteinmauern mit dem Dampfstrahler behandelt und eine neue Theke und neue Sitzbänke eingebaut. Mit Live-Musik ist man zuerst vorsichtig, es wird aber ein Klavier angeschafft.

1991
Das Konzept ohne regelmäßige Live-Musik geht nicht auf: schon nach acht Monaten meldet die Nörgelbuff GmbH Konkurs an, das Konkursverfahren wird aber mangels Gesellschaftsvermögens gar nicht erst eröffnet.
Die neuen kurzzeitigen Besitzer (sie sind mir namentlich leider nicht bekannt) wollen sich von der gemütlichen Kellerkneipen-Tradition lösen. Es wird versucht, ein kaltes 80er New Wave-Ambiente zu schaffen und der Club wird kurzzeitig in Con Cave, später mit dem Zusatz „im Nörgelbuff“, umbenannt. Das Mobiliar wird türkis lackiert (wenn es jemand interessiert, auf original altem Nörgelbuff-Inventar zu sitzen…: einige der Barhocker werden noch heute bei der Rock gegen Rheuma-Party in der musa verwendet, allerdings jetzt wieder in schwarz). Das Musikprogramm bleibt konstant. Auf der Sylvesterparty 1991/92, dem letzten Live-Konzert unter dem Namen Con Cave, spielte die Göttinger Independent-Band The Eleventh Plague mit Fred Kerkmann, Ralf Fricke, Jenne Korte und Michael Schluff.

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1992
Vasili Pnevmatikos übernimmt den Nörgelbuff. Nach anfänglichen Startschwierigkeiten macht er den Keller wieder zu einer Institution in Göttingen. Initialzündung ist hier wahrscheinlich das Konzert mit der Berliner Frauen-Independentband Lemon Babys: Vasili weiß im Vorfeld vermutlich gar nicht, wen er hier engagiert hat (wahrscheinlich “… viele schöne Frauen …”): der Keller platzte aus allen Nähten und es mussten ca. 200 eintrittswillige Gäste abgewiesen werden – die Legende berichtet von einer Warteschlange bis in die Nikolaistrasse. Bands und Musiker wie Colin Hay (Men at Work), B.B. & the Blues Shacks, Memo Gonzales und Bobby Mack geben sich nun die Klinke in die Hand und die Reihe „Blick und Blues“ etabliert den Nörgelbuff als Blues- und Souladresse in Südniedersachsen. Göttinger Rockbands finden hier jederzeit eine problemlose Auftrittsmöglichkeit, junge Bands können erste Bühnenerfahrungen sammeln. Griechische Abende und andere Partys, u. A. Göttingens erste Schlagerpartys mit den DJ´s Rex Richter und Michael „Schanze“ ergänzen das Programm und sichern die Finanzierung des Nörgelbuffs. Die Bühne wird vergrößert und eine einfache Tonanlage angeschafft.

1999
Vasili übergibt den Nörgelbuff an die Brüder Thasso und Nathan Tasidis, die bisher hinter der Theke gestanden haben. Das Veranstalten von Live-Konzerten wird allerdings in Göttingen immer schwieriger, selbst die Outpost schließt mangels Publikumszuspruch, und eine Kellerkneipe hat der sich auch in Göttingen ausbreitenden Biergartenkultur nichts entgegenzusetzen.

2000
Sylvester 2000/2001 schließt der Nörgelbuff bis auf Weiteres.

Nörgelbuff-Talentschuppen
Nörgelbuff-Sampler-2
Nörgelbuff-Sampler-4
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Nörgelbuff-Sampler-3
Nörgelbuff-Sampler-5

Die 00er Jahre

2002
Gonzo Fibiger (gestorben 2005, ehem. Sänger der Männerwirtschaft und Veranstalter im Kulturzentrum musa), Mick Noonan (Singer/Songwriter und ehem. Geschäftsführer vom Irish Pub Göttingen) und Michael Schluff (musa e.V. und Gründer des Rockbüro Göttingen) eröffnen im Februar den Nörgelbuff neu.
Hauseigentümer, Brauerei und Betreiber investieren fünfstellig in eine neue Theke, Zapfanlage und Inventar, die Böden, Decken und Wände werden renoviert und eine hochwertige Tonanlage wird angeschafft. Der „Verlobungsbogen“ wird verkleinert – es ist jetzt möglich, von einer Ecke des Veranstaltungsraumes in die gegenüberliegende zu schauen – und die Bühne wird nochmals vergrößert. Beim Ausbau und der Renovierung helfen viele Freunde und Musiker ehrenamtlich. Außerdem wird das „Bullauge“ zwischen Thekenraum und Veranstaltungsraum zu einem schmalen Durchgang ausgebaut.

2002 bis 2005
Neben Konzerten mit regionalen und überregionalen Gruppen entstehen viele neue Projekte und Veranstaltungsreihen rund um den Nörgelbuff: Nörgelbuff Houseband, Querbeat-Bandsession, Gong-Show, Kanale Minimale, Radio Aktiv Show, Boogie-Piano Session, Lassiter und die drei Amigos, Offene Bühne, Schauspieler der Göttinger Theater bringen ihre Soloprogramme auf die Bühne, Themenabende werden organisiert. Monatlich werden insgesamt bis zu 25 Programmpunkte geboten. Ab Juli 2005 übernimmt Jan Sperhake (Solokünstler und Poet, Sänger bei SunsXt Orange und ehem. Pianist bei The Loop) ehrenamtlich einen großen Teil der Veranstaltungsorganisation und -technik und etabliert die Reihen Offene Bühne und Poetry Slam.

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Oktober / Dezember 2005
Eine kurzsichtige und stadtplanerisch völlig unsinnige Entscheidung des damaligen Göttinger Oberbürgermeisters Jürgen Danielowski (ja, genau DER, der zuvor schon 100.000 DM bei der Kultur eingespart hat) sieht den Verkauf und Abriss des gesamten Häuserkomplexes zwischen Groner Str, und Nikolaikirche vor. Der Nörgelbuff schließt abermals bis auf Weiteres.

Meine persönliche Wahrnehmung und Interpretation der Ereignisse in diesen Monaten stellt sich folgendermaßen dar: Im Oktober wird durch eine Meldung im Göttinger Tageblatt öffentlich bekannt, dass ein Investor den gesamten Häuserkomplex zwischen Groner Straße, Düstere Straße Nikolaikirchhof und Nikolaistraße aufkaufen und abreißen lassen möchte – hier nochmal großes Dankeschön an den investigativen Journalismus des GT – mehr davon! Seine Pläne sehen einen kompletten Neubau aus Glas und Stahl vor. Der Investor hätte mit großer Wahrscheinlichkeit die Gewölbe des Nörgelbuff erhalten, aber nicht für Kultur, sondern als Lagerkeller genutzt.

Die Pressemeldung löste eine öffentliche Diskussion aus. Überprüfungen des Denkmalschutzes zeigen erhaltenswerte Bausubstanzen auf, so dass der Umbau an Auflagen für den Investor verknüpft wird, der sein Kaufinteresse daraufhin Ende Dezember aufgibt. Zu diesem Zeitpunkt war allerdings die Schließung des Nörgelbuff nicht mehr rückgängig zu machen. Wir hatten leider im Gegensatz zu anderen Pächtern des Viertels, die gerade langfristig investiert hatten, zur Erhaltung des Nörgelbuff kein Druckmittel in der Hand, denn der Pachtvertrag lief zum Ende des Jahre aus und wurde im Zuge der laufenden Verkaufsverhandlungen verständlicherweise nicht verlängert. Da wir trotz massiver finanzieller Unterstützung durch die Brauerei auf sehr unsicheren Beinen standen und zeitweise mit ca. 20.000 Euro verschuldet waren (aber: weder pleite, noch insolvent), konnten wir auch aus wirtschaftlichen Gründen nicht weitermachen – in den vorangegangenen Jahren war überdeutlich geworden, dass sich ein Betrieb mit bis zu 200 Live-Veranstaltungen im Jahr nicht selbst finanzieren kann.

29. Dezember 2005
Räumung des Nörgelbuff. Teile des Inventars, der Tontechnik und der Theke werden im Kulturzentrum musa eingelagert – wahrscheinlich ahnten wir, dass das letzte Wort noch nicht gesprochen war.

2006
Udo Angerstein und Karl-Christoph Dressler beginnen mit den Dreharbeiten für einen Dokumentarfilm über den Nörgelbuff. Sie interviewen u. A. Hannes Wader und Wirt-Legende Vasili. Fertigstellung des Films im Sommer 2007 – mit Happy End.

Oktober 2006
Wiedereröffnung des Lokals unter dem Namen Sugar. Mit Salsapartys, Griechischen Abenden und Getränkesonderangeboten an Werktagen wird versucht, den Keller wieder als Club mit gastronomischer Ausrichtung zu etablieren, was leider nicht gelingt. Das Sugar schließt nach der Sylvesterparty 2006/2007.

Zurück in's Jetzt

Februar 2007
Der Kulturausschuss der Stadt Göttingen beschließt einstimmig, eine Haushaltsstelle „Rockbüro Göttingen e.V.“ zur Rock- und Popmusikförderung einzurichten. Das Rockbüro (unter anderem Veranstalter der Night of the Clubs und des regionalen Local Heroes-Bandwettbewerbs) beabsichtigt mit einem Teil dieser Mittel, den Nörgelbuff als gemeinnützig arbeitenden Kulturkeller wiederzueröffnen. Als deutlich wird, dass Fördermittel zur Verfügung stehen, melden sich auch die Besitzer des Café Kreuzberg und EXIL zu Wort, die ihre Programme auch nicht ohne Defizit veranstalten können. Es wird entschieden, auch in diesen Clubs Konzerte für Göttinger Nachwuchsbands, Sessions usw. mitzufinanzieren. Die dringend notwendige Förderung von lokalen Live-Clubs wird hier in Göttingen auf einen beispielhaften Weg gebracht, die Erkenntnis, dass Live-Club-Förderung nicht “Kneipenförderung” bedeutet setzt sich durch.

April / Mai 2007
Der Nörgelbuff wird in kurzer Zeit wieder in den Zustand von 2005 zurückgebaut, bzw. renoviert (Fotos gibt´s bei goest.de, Menü “lokale Kneipen” – was eigentlich nicht unserem Selbstverständnis entspricht – und dann “Nörgelbuff” anklicken). Nach einer Umbauzeit von nur vier Wochen ist die Göttinger Band “Polished” am 4. Mai als erster Act auf der Bühne des neuen alten Nörgelbuffs zu hören und zu sehen.

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2007 – 2011
Der Nörgelbuff kehrt zur alten Form zurück: NB-Houseband, Spielstunde, Querbeat-Bandsession bieten lokalen Musikern ein Forum. Die Schülerbandsession JamShop wird etabliert, in der Reihe Grenzwerte können sich Jazzer und Soundtüftler austoben, regionale Bands finden im Buff eine Auftrittsmöglichkeit. Jede Göttinger Nachwuchsband bekommt einen Auftrittstermin. Göttinger Kult mit Bernd & Bernie Band, Sunset Orange, Groove Connection und Männerwirtschaft wird regelmäßig abgefeiert. Die von dem Göttinger Duo L´Uke inszenierte Reihe “Ukulele Inferno” begeistert junge und nicht mehr ganz so junge Nörgelbuffe. Aber auch die Profis entdecken den Nörgelbuff für sich: Albert Lee & Hogan´s Heroes schauen regelmäßig vorbei, mit der Hamburger Plattenfirma von Dirk Darmstaedter (Ex-Jeremy Days) “Tapete Records” wird eine Kooperation eingegangen, eine Reihe mit anglo-amerikanischen Singer/Songwriterinnen wird etabliert usw.
Gruppen und Schauspieler des Jungen Theaters und des Theater im OP nutzen die Nörgelbuffbühne für ihre Projekte, z.B. kommen hier “Der Vaterschaftsprozess” und “Hase Hase” vom JT, “DADA heute” von Martin Maecker/JT, die Science Fiction-Comedy “Space Traxx G.U.” und die regelmäßigen Werkschauen von “Improsant”, der Improtheatergruppe des ThOP, zur Aufführung.

Der Nörgelbuff ist erste Anlaufstelle für junge und/oder neugegründete Bandformationen, Experimentierfeld und Raum für neue Reihen, z.B. “Grenzwerte”, Offene Lesebühne, Ukulelespielkreis und Jazz´n´Funk-Session.

Abgerundet wird das Programm durch alternative Partys zum gängigen Göttinger Disko-Angebot, z.B. Göttingens erster Balkan-Party “Gypsy Juice” mit DJ Ringo, der mittlerweile bundesweit mit seiner Mischung aus Ethno-, Latin- und Balkan-Beats für Furore sorgt. Seit April 2009 wird jeden Mittwoch Salsa getanzt: hier treffen sich gute alte Bekannte aus der ehemaligen Kairo- und Blue Note-Szene und es kommen auch viele junge salsabegeisterte Tänzerinnen und Tänzer aller Nationen zum “Salsa en Sótano”.

Rückblickend zeigt sich an der bald 50-jährigen Historie des Nörgelbuff, dass sich Geschichte trotz sich verändernden Situationen für Livemusik doch wiederholt: der Nörgelbuff hatte immer eine mehrjährige Blütezeit, wenn sich engagierte Wirte und Veranstalter um ein kreatives und lokal verankertes Kulturprogramm bemühten, gemischt mit überregionalen Highlights. Ohne dieses “Händchen” für die Szene hat der Keller keine Chance – Projekte nach dem Motto “ich mach´ mal eine Kneipe auf” sind nur von kurzlebiger Dauer. Die Geschichte zeigt allerdings auch, dass dieser Erfolg ein ehrenamtliches Engagement erfordert, dass über den normalen Anspruch an eine Vereinstätigkeit hinausgeht. Um eine Kontinuität zu gewährleisten, ist darum langfristig eine finanzielle Absicherung der Veranstaltungsorganisation und Nachwuchsarbeit und eine Entlastung der Ehrenamtlichen von finanziellen Risiken des Veranstaltungsbetriebs nötig. Das heißt nicht, dass feste Stellen eingerichtet werden sollen, aber zumindest sollten die laufenden Kosten durch einen öffentlichen Zuschuss – so, wie es zurzeit der Fall ist – abgefedert werden.

2015 erfolgte die Auszeichnung mit dem APPLAUS in der Kategorie I für ein kulturell herausragendes Programm.

Noch nicht genug?

Die Nörgelbuff-Doku – Anläßlich des 40 jährigen Jubiläums des Nörgelbuff!

Habt ihr noch Bilder, Videos oder Erinnerungen an schöne Abende im Nörgelbuff?
Wir freuen uns sehr über eure Nachrichten, Anekdoten und Geschichten!

4 Kommentare

  1. Von 1979 bis 1984 war ich als Student der Uni Göttingen häufig im Nörgelbuff – meistens an Konzert- und/oder Veranstaltungsabenden. Das Nörgelbuff hatte im Vergleich zu anderen Veranstaltungskellern der Stadt (Blue Note, Trou, KAZ-Keller, …) eine besondere, heimelige, offene und sehr kommunikative Atmosphäre. Sehr gern erinnere ich mich an zahlreiche Konzerte mit teils auch Musikern wie z.B. Peter Finger, Werner Lämmerhirt, John Abercrombie, Hannes Wader, Rödeljazzband, Fin-Band, Rockinger-Band. Viele Musiker tingelten bundesweit umher und kamen mehr oder weniger regelmäßig im Nörgelbuff vorbei. Besonders illuster waren für mein Erleben die Auftritte der Fin-Band aus Göttingen, bei deren Konzerten Fin in (pseudo-)englischer Sprache handgemachte und mundgesungene Rockmusik zum Besten gab. Sehr gern erinnere ich mich auch an die Auftritte der Rockinger-Band, bei denen die Musiker auf der Bühne im regelrecht eskalierenden Rocksolo-Taumel ihre Gitarren gegen die niedrige Bühnendecke hämmerten, um noch mehr schräge, sägende Töne aus den Instrumenten herauszulocken. Lustig war auch der Auftritt eines schwarzen US-amerikanischen Bluesgitarristen mit minimalem E-Gitarre + VOX-Comboverstärker Equipment, Der Verstärker quittierte mitten in der Vorstellung auf der Bühne plötzlich mit schrillem Pfeifen und Dröhnen seinen Dienst woraufhin per Mikro eine Bitte um Hilfe durchgegeben wurde. Daraufhin schleppte nach einiger unfreiwilliger Pausenzeit tatsächlich ein etwas langhaariger jnger Gast einen anderen Gitarrenverstärker an, mit dem dann die Bühnenperformance irgendwie fortgesetzt wurde. Ich erinnere mich noch daran, dass an den Tischen zu damaliger Zeit ziemlich oft Altbierbowle (mit Erdbeeren und/oder Pfirsichen drin) getrunken wurde.

    Antworten
    • Hallo
      Ich war auch in der Zeit 1984-1989 Student in Göttingen und hatte Gitarrenunterricht bei dem Girattisten der Finband.
      Leider habe ich seinen Namen vergessen. Ich weiss aber, das er eine sehr alte Gibson gespielt hat und Jura studierte.
      Weiss jemand seinen Namen ?
      Hat jemand Bilder der Finband aus dieser Zeit ?
      Peter

  2. Sehr gut geschrieben.
    Habe dort auch guten Blues live erlebt.
    Gehört zu Göttingen.

    Antworten

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